Schwabing. Das ist kein Ort, sondern ein Zustand. – Gräfin zu Reventlow. Dominik Pförringer erklärt dies folgendermassen:
Was für ein Zustand das ist, das wollen wir gemeinsam durch scharfe Beobachtung erarbeiten. Hier war schon der legendäre Monaco Franze zuhause. Doch wer sich an die Dialoge im Detail erinnert, der durfte schon damals aus dem Mund des Türstehers Thomas Gottschalk hören: „Disco ist out…Schwabing ist nämlich auch out.“ Bei der Suche nach „Vom Schicksal gestreift mit Drang zum Höheren“ wurde Helmut Fischer hier also nicht fündig. Dabei kann man doch so vieles in Schwabing finden, vor allem vieles, was man nie vermutet hätte. Schwabing hat ein ganzes Füllhorn an Opportunitäten und Oppositionen an Kleinoden und Koryphäen zu bieten, doch sehen Sie selbst.
Schwabing. Das kann ein gemütlicher Fleck sein, es kann so echt sein, aber es kann auch echt lästig sein, wenn die Sonnenbrille vor der Sonne kommt, wenn der Isarpreiss die Lederhose mit Sneakern bestraft. Doch halt! Wie authentisch auch immer – Schwabing hat etwas von einem kleinen Melting Pot. Es ist das kleine Münchner Pendant zu Mitte. Da finden sich ausgefallene Einfälle zum Anziehen in der Zieblandstraße bei HRVST und anschließend die würzigsten Udong Nudeln im Cochinchina. Und anschließend lockt der einstige Schuh-Baron Thomas Bartu zu seinem Gedicht von einem Eis in die Kaiserstraße. Schwabing ist so zeitlos: wer als Student gerne im Lardys war, der wird feststellen, dass der Gin and Tonic dort heute noch mindestens so gut mundet. Da lässt sich der Connoisseur das Hemd bei Emanuel Berg wenden und freut sich anschließend auf das Kaminfeuer im Garbo. Und wenn er abends noch das Dolce Vita Italiana erleben will, dann radelt er in die Schellingstraße in die Bar dell‘ Osteria, um dort das Flair südlich des Brenners mitten in Bayern einzuatmen – ja, da sind wir dann schon in der Maxvorstadt, aber die Reise lohnt sich immer, genauso wie die zum Frühstück im Pavesi auf der Türkenstraße.
Steckerleis und Baden im Eisbach.
Lieber Leser, gehen Sie ins Ungewitter auf eine „Apotheke“, besuchen Sie den zeitlosen Georgenhof auf ein Tartar unter Kastanien und genießen Sie das bilderbuch-schöne Publikum in der Helene. Wer sich an die Kindheit im Sommer erinnern möchte, der wird im Giornale an der Georgenstraße spätestens beim zeitlosen, jungantiken Mobiliar auf der Terrasse an Sommer mit Steckerleis und Baden im Eisbach erinnert. Wenn Sie auf die Straße gehen, nehmen Sie sich auf jeden Fall ein eiskaltes Augustiner mit, hier in Schwabing darf selbst der Besterzogene dieses flüssige Sinnbild des Münchner Patriotismus aus der Flasche genießen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass praktisch jede Augustiner Flasche, die nach dem Genuss geparkt wird, sei es auf einem Verteilerkasten oder an einer Trambahnstation, immer mit dem Etikett zur Straße zeigt. Wenn das keine Liebe zu dem Getränk ist, das die Stadt beschreibt: Zeitlos gut, seit Jahrhunderten unverändert weil es halt einfach so schön ist, wieso sollte man sich da verändern wollen?
Kürzlich durfte ich folgendem Wortwechsel beiwohnen: „Wann fährst Du denn in den Urlaub? Darauf die Reaktion: „Wieso Urlaub, ich lebe doch in Schwabing?“ Schöner kann man es nicht in Worte fassen, aufrichtiger als die Schwabinger lieben nur wenige ihren eigenen Stadtteil. Zurück zur eingangs zitierten Gräfin Reventlow: Schwabing, das kann ein Zustand völliger geistiger Abwesenheit ebenso sein wie das höchste Glück auf Erden. Glück beflügelt durch das Wissen, sich im Herzen der schönsten Stadt der Welt aufgehoben zu wissen.