Eine gleichermaßen amüsanter wie amüsierter Wahlkommentar von Niki Pförringer.
Ein langer Titel, finden Sie nicht? Er birgt viel Theorie und wer hier lebt, der versteht auch die Praxis dahinter. Was will ich damit sagen?
Wer so wie ich das Glück hat, an der Grenze zwischen Haidhausen und Bogenhausen arbeiten zu dürfen, der erlebt tagtäglich, was es heißt, Bogenhausen live zu erleben. Was Chelsea an der Themse und Bevery Hills am Pazifik ist, das ist Bogenhausen an der Isar. Das ist eine gar eigene Melange an Menschen, eine ganz andere Denkweise und wie wir an dieser Stelle in der letzten Ausgabe beschrieben hatten, ticken die Uhren dort a bisserl anders, in dem was einst als Pupinhusir anno 768 erwähnt wurde. Ob wir es der frischen Luft vom Englischen Garten, der katalytischen Nähe zur Isar, der kurzen Distanz zum Flughafen oder einfach nur dem Mikroklima zuschreiben wollen, das sei dahingestellt.
Was fest steht ist: hier wimmelt es von vermeintlichen Individualisten, die am Ende doch alle irgendwie so gerne so gleich sein wollen. Wer sich unter Woche zwischen der Agip an der Oberföhringer Straße im Norden und dem Friedensengel im Süden aufhält, der wäre am Wochenende gar einsam, hätte er keine Zuflucht an den Bayerischen Seen im Sommer oder in Tirol und im Engadin im Winter, wo er dann exakt die gleichen Menschen wieder trifft. Der Mensch ist ein Herdentier. Das Fahrzeug streng schwarz, die Brille hörnern, das weiße Pouchette zumeist adrett gefaltet und den Inhalt der Bunten bereits am Donnerstag Mittag auswendig kennend, das ist der eine Part. Doch die Jugend mischt auch langsam mit – sofern wir allmählich ergrauende, Kinderwagen durch den Herzogpark schiebende Mitvierziger so titulieren wollen. Am Kufsteiner Platz kann man mittlerweile auch wieder Kinderlachen neben brummenden Boliden hören. Welche Bereicherung beim frisch gepressten Sugo im Marks!
Ob jung ob alt, ob den Turbo im Heck oder den V8 vorne unter der Haube: in einem ist man sich einig wie sonst nur in Kreuth. Der Gang zur Wahlurne, der ist ein Freudenspaziergang und ähnlich wie auf prominenten Wahlparties ist man sich stets einig: „Also wenn rot-rot-grün jetzt wirklich kommt, dann zieh ich nach Salzburg“. Abweichler gibt es da wenige, frei nach Gerhard Polt: „Ich brauche keine Opposition, weil ich bin ja selber schon dagegen.“
Da wird in der Arena für, am Wahltag gegen rot geschrien – ohne zu zögern ohne zu fragen. Hier wird gelebt, frei nach Denis Diderot: „Die Armut hat ihre Freiheiten, der Reichtum seine Zwänge.“ Glücklich darf sich der schätzen, der nach der Arbeit die Freiheit findet, am Fuße des Friedensengels mit Blick auf das Prinz Carl Palais den wohl schönsten Sonnenuntergang der Stadt zu erleben – ganz unpolitisch.
Lieber Leser, genießen Sie die Stadt und denken Sie stets an Eugen Roth: „Vom Ernst des Lebens halb verschont, ist der schon, der in München wohnt.“ Denn Bayern ist das Paradies auf Erden, München dessen Hauptstadt und Bogenhausen davon das Bellevue. Was bleibt da noch zu sagen?